Wir führten die Methode der Selbstbeobachtung drei Semester lang durch - zunächst mit einer Printversion, später mit zwei Online-Prototypen. Von der Methode der Selbstbeobachtung lernten wir, was Blended Learning bedeutet.
Selbstbeobachtung mit einer Printversion
Nach dem Testsemester mit der Printversion unseres Blended-Learning-Kurses konnten wir durch die Methode der Selbstbeobachtung festhalten:
- Die Abgabe schriftlicher Aufgabenlösungen verhindert den passiven Konsum der präsentierten Ergebnisse und ermöglicht die Diskussion alternativer Lösungen und notwendiger Ergänzungen. Fast alle Studierenden haben die Problematik reflektiert, haben eine Lösung erarbeitet und sind dadurch aufmerksam.
- Zu wenige Studierende nehmen an den Diskussionen teil. Die eigene Lösung wird mit der präsentierten Lösung stillschweigend verglichen, nicht aber dem Plenum zum Vergleich oder ergänzend zur Verfügung gestellt.
Das didaktische Konzept erfordert eine andere Rolle der Lehrenden. Die Inhalte werden von den Studierenden durch problemlösendes Lernen selbst erarbeitet. Die Dozentin muss die individuell erarbeiteten Lösungen so moderieren, dass kritisches Denken gefördert wird und die Studierenden während der Präsenzphasen Lösungsmöglichkeiten austauschen und voneinander lernen.
Fazit: Moderation professionalisieren und dafür sorgen, dass in jeder Sitzung mindestens zwei Lösungen visualisiert zur Verfügung stehen und sich alle Studierenden an deren Diskussion beteiligen. - Zu Anfang benötigen die Studierenden eine ausdrückliche Erlaubnis, falsche Lösungen vorzustellen und abzugeben. Der Sinn der vorbereitenden Reflexion, der Charme unterschiedlicher Lösungen muss deutlicher gemacht werden.
- Unruhe und Abschalten bei Einführung von Fachtermini, Qualitätskriterien, Erklärung von Formeln und längerem komplexem Input.
Fazit: Auf jeden längeren mündlichen Input verzichten. Stattdessen Input/Formeln während der Sitzung schriftlich geben und kleinere Übungen dazu, die direkt danach besprochen werden. Für anderen Input leichtere Fachtexte zu Hause lesen lassen, Verständnisfragen in der folgenden Sitzung klären. - Der Zweck einzelner Verfahren der automatischen Inhaltserschließung muss deutlicher werden. Die Inhalte müssen in einen Zusammenhang mit praktischen Anwendungskontexten gebracht werden.
Das kann z.B. durch den Ausbau der Fallstudie mit detaillierten Informationen über die Firma WissOrg geschehen: - Für welche Zwecke will die Firma die Verfahren einsetzen?
- Mit welcher Art von Daten arbeitet die Firma?
- Wie groß sind die Datenmengen?
- Wie wichtig ist Qualität?
- Fehlende Vorkenntnisse:
- Invertierter Index
- Aufbereitung von Daten für Retrieval
- Funktionsweise einer Stoppwortliste
- Zustandekommen eines Basic Index
Jede Veranstaltung sollte mit einer Exkursion zu einem Betrieb abschließen, der Verfahren automatischer Inhaltserschließung anwendet (Gruner + Jahr, Heinrich-Bauer-Verlag, HWWA, ...)
Fazit: Der EDV-Aspekt muss vertieft und an echten Datenmengen veranschaulicht werden. Ein Internetzugang während der Sitzungen ist unabdingbar. Die häuslichen Aufgaben könnten mehr Experimente mit frei verfügbarer Software einbeziehen - so weit es sie noch gibt. Ein Tool, das gegen Anfang des Semesters noch frei verfügbar war, muss inzwischen für weit mehr als 1000$ gekauft werden. Dezidierte Programmieraufträge zur Erstellung von Simulationen für das E-Learning-Modul sind noch wichtiger geworden. Das E-Learning-Modul sollte Simulationen enthalten, deren Quellcode einsehbar ist. Zusätzlich sind Absprachen mit den Lehrenden in Datenbankretrieval und EDV sinnvoll.
Selbstbeobachtung mit einem Online-Prototypen
Nach dem Testsemester mit dem ersten Online-Prototypen unseres Blended-Learning-Kurses konnten wir durch die Methode der Selbstbeobachtung festhalten:
- Die Qualität der Argumente, der schriftlichen Aufgabenlösungen und der Protokolle reichte meist nicht aus. Auch während der letzten Lerneinheit waren nur geringe Fortschritte auszumachen: Die Argumente blieben vage und die Vorstellungen über die Aufwand-Nutzen-Relation bei aufwändigen Verfahren blieben unrealistisch. Erst in der letzten Sitzung setzte sich ca. die Hälfte der Studierenden mit den Möglichkeiten der automatischen Inhaltserschließung wirklich kritisch auseinander und entfaltete die erwartete Kreativität. Angesichts einer mündlichen Prüfung hatten sich die Studierenden mit den Inhalten noch einmal intensiv beschäftigt.
- Die Abgabe schriftlicher Aufgabenlösungen stieß wieder auf Akzeptanz. Es hat sich bewährt, die Abgabe von sechs Aufgaben und einem Protokoll zu fordern. Das bedeutet durchschnittlich eine schriftliche Aufgabe für jede zweite Sitzung. So können die Studierenden ihre Mitarbeit nach Maßgabe von Verpflichtungen in anderen Studienfächern einteilen.
Die Qualität der Lösungen divergierte beträchtlich. Die Einführung eines Mindeststandards scheint angemessen, unterhalb dessen eine Aufgabe als nicht bearbeitet gilt. Individuelle Rückmeldungen in Form schriftlicher Kommentare zu den eingereichten Übungen und fiktive Noten geben den Studierenden Anhaltspunkte für die Einschätzung ihrer Leistungen. Die Vorgaben für die Übungen, Protokolle und die Gruppenarbeit während der Veranstaltung müssen erneut konkretisiert werden. - Noch immer nehmen zu wenige Studierende an den Diskussionen teil, durchschnittlich fünf von dreißig. Eine Moderationsform, die alle Studierenden einbezieht, scheint nur bei einer Gruppengröße unter zwanzig möglich. Das Prinzip der Solidarität, der Verantwortung für den eigenen Lernprozess und dem der Gruppenmitglieder muss noch deutlicher gemacht werden.
- Die Interventionen der Lehrenden bei Präsentationen unrealistischer Argumente und Algorithmen waren unzureichend. Die Studierenden wollen wissen, wie es richtig ist. Als Resultat der Auseinandersetzung mit den studentischen Lösungen sollte am Ende der Sitzung ein gemeinsam akzeptiertes Flussdiagramm an der Tafel stehen.
- Die gesamte Website muss unter zwei Aspekten überarbeitet werden:
- Praxisnähe
- Konkreter Input
- Die Lektüre von Fachtexten scheint eine willkommene Herausforderung zu sein und kann mehr eingesetzt werden.
- Die Veranstaltung muss in einem Raum mit stabilem Internetzugang, Pinnwänden und diskussionsfördernder Sitzordnung stattfinden.